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Ein schmaler Grat zwischen Klimapolitik und Fiskalpolitik

Die Einnahmen aus Mineralölsteuern brechen seit Jahren spürbar weg – und mit dem wachsenden Anteil an Elektrofahrzeugen fehlt ein immer grösserer Beitrag zur Finanzierung der Strasseninfrastruktur.
Über 70 Rappen pro Liter Treibstoff, den die Autofahrerinnen und Autofahrer an der Tanksäule bezahlen, fliessen anteilsmässig in die Bundeskasse und in den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF). Zusätzliche Abgaben wie die CO₂-Kompensationspflicht oder der seit 2021 geltende Zuschlag von vier Rappen pro Liter stützen dieses System zwar, ändern aber nichts an der Tatsache, dass die Einnahmen aus fossilen Treibstoffen erodieren.
Parallel dazu nimmt der Anteil von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb zu: 2024 machten Elektro- oder Plug-in-Hybridfahrzeuge bereits 28 Prozent der Neuzulassungen aus, während der Wert 2018 noch bei 3 Prozent lag. Dieser Trend ist zwar erfreulich, wurde jedoch durch den starken Preisanstieg bei fossilen Treibstoffen infolge der Ukraine-Krise zusätzlich beschleunigt. Damit verschärft sich aber auch die Finanzierungslücke. Der Bundesrat hatte bereits 2021 ein Konzept zur langfristigen Sicherung der Verkehrsinfrastruktur angekündigt, doch konkrete Ergebnisse lassen auf sich warten. Pilotprojekte zu Mobility Pricing stiessen zudem auf Vorbehalte in der Bevölkerung.
Ende Juni 2022 nahm der Bundesrat das Konzept für den Ersatz der Mineralölsteuern zur Kenntnis und legte die nächsten Schritte fest. Demnach soll die Verwaltung eine Vernehmlassungsvorlage vorlegen, die eine Ersatzabgabe für Fahrzeuge mit alternativem Antrieb vorsieht. Diese soll sich nach gefahrenen Kilometern, Fahrzeugart, Gewicht und Motorleistung bemessen – und damit im Kern das bisherige System spiegeln. Unklar bleibt, wie die Erhebung erfolgen soll. Denkbar sind Modelle nach dem Vorbild der LSVA sowie Alternativen ohne geografische Lokalisierung.
Neben diesen Überlegungen gibt es weitere Ansätze, wie die Finanzierung künftig sichergestellt werden könnte. Eine Möglichkeit wäre ein Zuschlag auf den Strombezug an Ladestationen. Dieses Modell hätte allerdings den Nachteil, dass jeder Ladepunkt mit einem Smart Meter ausgestattet werden müsste, was einen hohen technischen und administrativen Aufwand bedeuten würde. Eine weitere Möglichkeit wäre das Erfassen der Fahrleistung. Diese Daten könnten aus dem Bordcomputer des Fahrzeuges ausgelesen werden. Hierfür müssten die Hersteller jedoch entsprechende Schnittstellen öffnen und die Daten freigeben. Als einfachste Variante erachte ich die Selbstdeklaration. Fahrzeughalter müssten ihre gefahrenen Kilometer regelmässig melden, und die Abgabe würde darauf basieren. Dieses Modell wäre einfach, praktikabel und mit vergleichsweise geringem Aufwand umsetzbar.
In Kürze will der Bundesrat Vorschläge in die Vernehmlassung geben. Die Richtung stimmt: Wer Strassen nutzt, soll sich auch an deren Finanzierung beteiligen – unabhängig von der Antriebsart. Doch genau hier liegt das politische Dilemma. Höhere Abgaben für Elektrofahrzeuge bergen das Risiko, die gewünschte Förderung der Elektromobilität zu bremsen. Gleichzeitig ist klar, dass der Staat eine verlässliche Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur sicherstellen muss. Die Politik bewegt sich damit auf einem schmalen Grat zwischen Klimapolitik und Fiskalpolitik – ein Balanceakt, der Fingerspitzengefühl verlangt.
 
                    
                    
                        Matthias Samuel Jauslin
ist seit 2015 Mitglied des Nationalrats, Mitglied der Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) sowie Mitglied der Geschäftsprüfungskommission (GPK). Er ist Geschäftsführer und Hauptaktionär eines Unternehmens, das im Bereich Elektroanlagen, Telematik und Automation tätig ist.