Drehmoment Bundeshaus: Der Mantelerlass soll es richten
Die Nationalratskommission (UREK-N) berät das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien. Als «Mantelerlass» werden Massnahmen und bereits beschlossene Bestimmungen zusammengefasst.
Es geht um den raschen Ausbau der einheimischen Energiequellen, um Verbrauchsziele, um Winterstromreserven, um Stromimporte und um raumplanerische Fragen rund um die Energieversorgung. Einen ersten Entwurf hat der Ständerat im Herbst 2022 vorgelegt. Ohne raschen Zubau und namhaften Einsparungen sowie einem Energieaustausch innerhalb Europas erreichen wir die Energie- und Klimaziele nicht. Zu diesem Schluss kam auch eine im Dezember 2022 erschienene Studie des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE). Daraus lassen sich veränderte Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Energiestrategie 2050 ablesen. Gezielte Massnahmen sind notwendig.
Wie bereits beim Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative ist auch hier der Ständerat etwas aus dem Lot geraten. Nach gut einem Jahr Beratung und mehr als 130 Einzelanträgen hat er die bundesrätliche Vorlage massiv umgebaut. So will er den Schutz von Biotopen von nationaler Bedeutung aufweichen. Heute sind dort neue Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien ausgeschlossen. Der Ständerat will diesen absoluten Schutz nicht mehr. Hier tut der Nationalrat gut daran, mit Augenmass mehrheitsfähige Lösungen zu suchen.
Zur Stärkung der Versorgungssicherheit im Winter sollen bis 2040 zusätzlich sechs Terrawattstunden an erneuerbarer Energie zugebaut werden. Im Fokus steht die Umsetzung von 15 Wasserkraft-Vorhaben und alpinen Solaranlagen. Zur Absicherung von kritischen Versorgungsengpässen wird mittels Ausschreibung jährlich eine Energiereserve zurückgehalten. Zudem sollen Gaskraftwerke Stromlücken füllen. Ob all diese Vorhaben tatsächlich in diesem engen Zeitfenster umsetzbar sind, wird sich zeigen.
Plausibel erachte ich die Zielsetzung, den durchschnittlichen Energieverbrauch pro Person und Jahr gegenüber dem Stand im Jahr 2000 bis zum Jahr 2035 um 43 Prozent und bis 2050 um 53 Prozent zu senken. In Anbetracht von aktuell möglichen Effizienzsteigerungen, insbesondere durch die Elektrifizierung und Automation, eine realistische Zielsetzung.
Die Schweiz hat heute bei der Elektrizität im Winter eine durchaus kritische Importabhängigkeit. Bei den fossilen Brenn- und Treibstoffen beträgt die Auslandabhängigkeit hingegen 100%. Dass nun der Ständerat den Import von Elektrizität im Winter auf einen Richtwert von fünf Terrawattstunden beschränken will, ist widersprüchlich. In der Studie des VSE geht man davon aus, dass auch in Zukunft im Winter sieben bis neun Terrawattstunden Strom importiert wird. Dies nicht nur um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sondern auch um die Netzstabilität zu sichern.
Als falsch erachte ich den Verzicht auf die vollständige Strommarktöffnung. Derzeit haben einzig Endverbraucher mit Bezügen von mehr als hundert Megawattstunden pro Jahr Zugang zum freien Markt. Um jedoch die Entwicklung bei Stromprodukten voranzubringen, ist der freie Zugang für alle Stromkonsumenten wichtig. Ich bin gespannt, ob der Nationalrat die richtigen Korrekturen beim Mantelerlass anbringen kann.
Matthias Samuel Jauslin
ist seit 2015 Mitglied des Nationalrats, Mitglied der Kommission Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK-N) sowie Mitglied der Geschäftsprüfungskommission. Er ist Geschäftsführer und Hauptaktionär eines Unternehmens, das im Bereich Elektroanlagen, Telematik und Automation tätig ist.