Stories

Der Weg zum Experten

Das Diplom der höheren Fachprüfung gilt für viele Berufsleute als das ultimative Zeugnis: Es bestätigt die fachliche Kompetenz auf höchstem Niveau. Warum lohnt es sich, diese Prüfung abzulegen? Welche Vorteile bringt sie auf dem Karriereweg und was kommt auf einen zu, wenn man diesen Weg geht? Ein erfolgreicher Absolvent erklärt’s. 

Ob für die Gründung einer eigenen Firma, für die Weiterführung des Familienbetriebs oder für die Übernahme von mehr Verantwortung in einem Grossunternehmen: Die «Meisterprüfung», auch bekannt unter dem sperrigen Namen dipl. Elektroinstallations- und Sicherheitsexperte resp. -expertin, kann ein entscheidendes Karriereziel sein. 

Fachkundigkeit als Motivation 

Doch was macht diesen Abschluss so wertvoll? Und weshalb braucht die Elektrobranche Leute, die ihn haben? Der Schlüssel liegt in der Fachkundigkeit. Denn nur Fachkundige erhalten vom Eidgenössischen Starkstrominspektorat (ESTI) eine Installationsbewilligung. Die Niederspannungsinstallations-Verordnung (NIV) hält fest: «Wer elektrische Installationen erstellt, ändert oder in Stand stellt und wer elektrische Erzeugnisse an elektrische Installationen fest anschliesst oder solche Anschlüsse unterbricht, ändert oder in Stand stellt, braucht eine Installationsbewilligung des Inspektorates.» Somit ist klar, dass die Installationsbewilligung für sämtliche elektrische Arbeiten erforderlich ist. Betriebe erhalten die allgemeine Installationsbewilligung, wenn sie eine fachkundige Person als fachkundige Leiterin resp. als fachkundigen Leiter beschäftigen. Pro 20 in der Installation beschäftigte Personen muss ein Betrieb mindestens einen fachkundigen Leiter vollzeitlich beschäftigen. 

Von der Grundbildung über die Berufsprüfung zur höheren Fachprüfung  

Es gibt unterschiedliche Wege, die zur Fachkundigkeit führen. Der klassische beginnt mit einer der drei Grundbildungen Montage-Elektriker:in EFZ, Elektroinstallateur:in EFZ oder Elektroplaner:in EFZ. Danach können motivierte Berufsleute einen Lehrgang zur Vorbereitung auf die eidgenössische Prüfung Elektroprojektleiter:in Installation und Sicherheit absolvieren. Nach rund eineinhalb bis zwei Jahren berufsbegleitender Ausbildung und dem Erfüllen der notwendigen Voraussetzungen können sie sich zur Berufsprüfung anmelden. Sie besteht aus den drei Teilen Fallarbeit, Projektführung und Messaufgabe/Elektrotechnik. In der Fallarbeit wird vor allem die normentechnische Argumentationsfestigkeit geprüft, also die Kenntnis gängiger Gesetze, Verordnungen und Normen. Im Prüfungsteil Projektführung muss ein Projekt gemäss einem Aufgabenbeschrieb geplant und gezeichnet werden. Dieser Plan dient im mündlichen Prüfungsteil als Grundlage für das Fachgespräch. Im letzten Prüfungsteil, der Messaufgabe, werden die Fähigkeiten im Kontrollbereich getestet. Da man bei erfolgreichem Abschluss der Prüfung kontrollberechtigt wird und die nach NIV vorgeschriebenen Prüfungen von elektrischen Anlagen durchführen kann, muss man hier beweisen, dass man die Messungen sowie das Messgerät beherrscht.  

Nach erfolgreichem Bestehen der Berufsprüfung kann der nächste Schritt in Angriff genommen und ein Lehrgang zur Vorbereitung auf die eidgenössische Prüfung zum dipl. Elektroinstallations- und Sicherheitsexperten resp. -experten besuchen werden. Dieser Lehrgang besteht aus vier Modulen (Projektführung II, Planung und technische Bearbeitung II, Installation und Sicherheitsexpertise, Unternehmensführung). Die Module werden innerhalb von eineinhalb Jahren abgeschlossen und gelten als Voraussetzung für die Anmeldung zur höheren Fachprüfung. Viele der behandelten Themen kennt man bereits aus der Projektleiter-Ausbildung. Allerdings wird ein tieferes fachliches Verständnis erwartet. Generell wird man stärker auf die Rolle des fachkundigen Leiters eines Betriebs vorbereitet. Es werden beispielsweise bestehende Projekte und Offerten analysiert und auf Verbesserungspotenzial geprüft, statt dass man sie selbst erstellt. Wenn alle Module bestanden sind, gibt es noch eine letzte Hürde zu bewältigen, bevor man sich zur höheren Fachprüfung anmelden kann, namentlich die 25- bis 35-seitige Diplomarbeit über ein Praxisprojekt im Betrieb. Sie zu erstellen, ist zeitintensiv. Wichtig ist, das richtige Projekt dafür auszuwählen. Wer nicht als Projektleiter:in oder Sicherheitsberater:in tätig ist, wird sich schwertun, die vorgeschriebenen Lernziele zu erreichen. Nach Einreichen der Diplomarbeit erhält man einen Termin für die Höhere Fachprüfung, an der man sein Können unter Beweis stellen darf. Sie besteht aus drei Teilen: der Fallstudie, der Projektanalyse und der Diplomarbeit. Alle drei Teile enthalten eine mündliche Prüfung mit einem 80-minütigen Fachgespräch. In der Fallstudie und der Projektanalyse erhält man am ersten der drei Prüfungstage je eine Stunde Zeit für die Arbeitsvorbereitung. Es sind diverse Aufgabenstellungen, Pläne, technische Angaben oder Offerten durchzugehen. Im mündlichen Teil präsentiert man Lösungen zu den Aufgaben, die anschliessend als Grundlage für das Fachgespräch dienen. Im Prüfungsteil «Diplomarbeit mündlich» wird die Diplomarbeit während ca. 20 Minuten vorgestellt. Anschliessend werden Fragen zum Projekt oder auch generelle Fragen gestellt. Die Themen erstrecken sich in allen Prüfungsteilen über die gesamte fachliche Bandbreite. Auswendig gelerntes Wissen bringt einen hier nicht allzu weit, weil die Experten mit Folgefragen oft tief in die Materie eintauchen und sie auch die fachliche Argumentationsfähigkeit prüfen. 

Eine Investition, die sich auszahlt 

Der Weg bis zum Diplom ist mit einem enormen Zeitaufwand und hohen Kosten verbunden. Während der Ausbildung kann man nur 80 Prozent arbeiten. Man muss also nicht nur mit den Schulkosten, sondern auch mit einer Lohneinbusse zurechtkommen. Ich habe pro Lehrgang ca. 20'000 Franken aufgewendet, wenn man Schul- und Prüfungsgebühren, Lehrmittel und Vorbereitungskurse zusammenzählt. Trotz des grossen Aufwands würde ich auch heute den gleichen Weg gehen. Ich habe mir nicht nur Praxiswissen angeeignet, sondern auch viel fürs Leben gelernt. Ich kann in den Bereichen Betriebswirtschaft, Personalführung, Gründung einer Firma usw. mitreden. Zusätzlich kann man in den Kursen Kontakte zu anderen motivierten Fachkräften knüpfen. Dieses Netzwerk ist nicht zu unterschätzen und hat mich bereits weitergebracht. Und auch finanziell lohnt sich dieser Weg: Mit dem Diplom in der Tasche stehen einem viele Türen offen. Man kann sich selbstständig machen, die technische Leitung einer Firma übernehmen oder weiterhin als Projektleiter oder Sicherheitsberater arbeiten, natürlich mit mehr Fachwissen und Expertise und dadurch auch mit einem höheren Gehalt. Letztlich ist man als fachkundige Person nicht nur für die Qualität der Arbeit verantwortlich, sondern auch für die Sicherheit und das Wohl der Mitarbeitenden. 

Autor: Sandro Krieg, erschienen im Magazin 02 / 2025

Foto: Michael Donadel (mikadoformat.com)