Drehmoment Bundeshaus: Im Schnellzug Richtung Referendum
Nachdem der Nationalrat das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien beraten hat, werden die fragwürdigen Positionen noch klarer. Soll das Referendum verhindert werden, sind einige Anpassungen notwendig.
Das Gesetz sieht Ziele für die Produktion von erneuerbaren Energien sowie Massnahmen zur Stärkung der Netz- und Stromversorgungssicherheit vor. Verbindliche Zielwerte legen den angestrebten Ausbau der Wasserkraft, der erneuerbaren Energien und die Senkung des Stromverbrauchs pro Person fest. Die Finanzierung der Förderinstrumente erfolgt weiter über den Netzzuschlag von 2.3 Rp. pro kW/h. Die Signalwirkung des Entwurfs ist gross, da hohe Ziele gesetzt und die Investitionsbedingungen verbessert werden. Im Gegensatz zum Ständerat hat der Nationalrat die notwendigen Schutzmassnahmen für Natur und Landschaft wieder aufgenommen. Das Thema Restwassermenge bei Wasserkraftwerken wurde zu Ungunsten der Biodiversität verabschiedet. Dies wird bei Fischern und Umweltverbänden starken Widerstand hervorrufen.
Einig ist man sich, dass der raschere Ausbau der Speicherwasserkraft zentral ist. Dafür wurden die Realisierungsbedingungen für die 15, im Rahmen des «runden Tisches» priorisierten, Wasserkraft-Projekte definiert. Diese sollen unter Einhaltung einer minimalen Planungspflicht realisiert werden. Gleichzeitig werden Betreiber von grösseren Speicherwasserkraftwerken verpflichtet, sich an der Winterreserve zu beteiligen.
Neu will der Nationalrat bei sämtlichen Neubauten und umfangreichen Gebäudesanierungen eine Solarpflicht einführen. Für bestehende Bauten wurde diese abgelehnt. Die Gegner dieser Solarpflicht haben sich bereits klar positioniert. Verschiedene Massnahmen sorgen für eine flexible Nutzung der Stromnetze. Das Allheilmittel «Smart Meter» wird schneller eingeführt und die Daten werden auch dem Endverbraucher in Echtzeit zur Verfügung stehen.
Der Nationalrat will sogar das gesamte Messwesen – also auch die Hardware selber – freigeben. Diese Liberalisierung soll einen Mehrwert für die Stromkonsumenten bringen. Ich bezweifle einen solchen Effekt. Auch zum Metzger kann ich ja nicht meine eigene Waage mitbringen.
Beachtenswert ist eine neue Bestimmung, die es ermöglicht, «lokale Elektrizitätsgemeinschaften» (LEG) zu bilden. Die Idee einer solchen LEG ist, dass private Solarstromproduzenten und Stromverbraucher sich weiträumiger als beim bisher möglichen Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) zu einem virtuellen Verteilnetz zusammenschliessen können. Die Gemeinschaft kann den selbst produzierten und gespeicherten Strom direkt untereinander vermarkten. Eine bestechende Idee, doch die Versorgungssicherheit der virtuellen Gemeinschaft muss das lokale Energieversorgungsunternehmen sicherstellen. Warum sich die Netzbetreiber nicht dagegen wehrten, bleibt mir ein Rätsel.
Die räumliche Ausdehnung einer solchen LEG soll auf das Niederspannungsnetz hinter dem jeweiligen Quartiertransformator beschränkt werden. Komplett offen bleiben aber die Fragen der Rechtsform, der Verantwortlichkeiten und der Schnittstellen zum Netzbetreiber. Was das Bundesparlament konstruiert hat, ist in der Tat ein Novum. Erfahrungen im Ausland zeigen, dass solche Modelle in einem für alle offenen Strommarkt funktionieren können. Dies erfordert die Entflechtung zwischen Netz und Energie, die im ursprünglichen Entwurf enthalten war. Die gleichen Kreise, die nach Veränderungen gerufen haben, strichen diese Bestimmungen wieder aus der Vorlage.
Matthias Samuel Jauslin
ist seit 2015 Mitglied des Nationalrats, Mitglied der Kommission Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK-N) sowie Mitglied der Geschäftsprüfungskommission. Er ist Geschäftsführer und Hauptaktionär eines Unternehmens, das im Bereich Elektroanlagen, Telematik und Automation tätig ist.