"Frauen sind Material auf dem Bau"
Es gibt sie, die Frauen, die eine Grundbildung zur Montage-Elektrikerin oder Elektroinstallateurin und Weiterbildungen in Richtung Sicherheitsberaterin und dipl. Elektroinstallateurin absolvieren. Sie sind aber eher die Ausnahme als die Regel. Die Gründe dafür sind vielfältig, wie ein Workshop zum Thema Frauenförderung zeigte.
Immer wieder wird von Mitgliederbetrieben der Wunsch geäussert, EIT.swiss möge doch etwas zur Mädchen-/Frauenförderung unternehmen. Doch was kann ein Verband, ein Betrieb tun, damit die Berufe der Elektrobranche für Schülerinnen attraktiver werden? Um diese Frage zu beantworten, fand auf der Geschäftsstelle von EIT.swiss ein Workshop mit Montage-Elektrikerinnen, Elektroinstallateurinnen, Sicherheitsberaterinnen und dip. Elektroinstallateurinnen, statt. Und bereits hier zeigte sich, dass Frauen in der Elektrobranche eine Seltenheit sind. Normalerweise trifft man in Kommissionen, Arbeitsgruppen oder bei Workshops kaum auf eine Frau. Deshalb waren die Mitarbeitenden der Geschäftsstelle überrascht, so viele junge und engagierte Fachfrauen auf einmal in der Geschäftsstelle zu sehen. All diese Frauen sind motiviert und schätzen ihren Beruf, auch wenn es für sie nicht immer einfach ist. Neben dem Kampf mit schweren Gerätschaften, den im Übrigen auch männliche Lernende manchmal haben, müssen sie sich in der Berufsschule und auf der Baustelle behaupten. Am Anfang der Lehre werden die jungen Frauen oft belächelt. Fragen wie «Was machst denn du hier?» dürften wohl keine Seltenheit sein. Doch Schülerinnen, die sich für eine Grundbildung als Montage-Elektrikerin oder Elektroinstallateurin entscheiden, lassen sich von derartigen Sprüchen nicht unterkriegen. Im Gegenteil: Sie konzentrieren sich auf die Schule und beweisen, dass sie fachlich ohne Probleme mithalten können. Anders gesagt: «Sie ziehen ihr Ding durch.»
Eine weitere Herausforderung ist die Arbeit auf dem Bau. Der Umgangston ist grob, teilweise auch respektlos. Doch sowohl die Lernenden als auch die Ausgebildeten lassen sich davon nicht einschüchtern. Sie haben gelernt, damit umzugehen und an der richtigen Stelle zu kontern. Keine dieser Frauen ist dünnhäutig. Und doch berichten alle von teilweise sehr schlechten Erfahrungen. Diese reichen von anzüglichen Sprüchen über Berührungen bis hin zu weitergehenden sexuellen Belästigungen. «Frauen sind Material auf dem Bau», fasst eine Montage-Elektrikerin die Situation trocken zusammen. Und trotzdem bleibt sie in der Branche tätig und übt ihre Tätigkeit motiviert aus.
Was also kann man tun, um diese Situation zu verbessern? Es braucht mehr Frauen auf dem Bau, damit sich der Umgangston und die Umgangsformen ändern. Das braucht Zeit. Es gibt aber auch kleinere Massnahmen, die jungen Mädchen und Frauen auf dem Bau das Leben schon erleichtern würden, z.B. eigene sanitäre Anlagen. Für Mädchen und Frauen wäre das angenehmer.
Bleibt noch die Frage, wie die Frauen dazu kamen, eine Grundbildung in der Elektrobranche zu machen. Einige kamen durch Verwandte oder Bekannte zu diesem Beruf. Andere wählten diese Grundbildung, weil die Eltern die anderen Berufswünsche nicht wirklich toll fanden. Und dabei sind wir beim wichtigsten Stichwort bei der Berufswahl: Es sind nach wie vor die Eltern, die ihren Kindern sagen, welche Grundbildung geht und welche nicht. Auch Kolleginnen und Kollegen können einen gewissen Einfluss haben, vor allem dann, wenn man sich für seine Wahl rechtfertigen muss. Berufe auf dem Bau und damit auch Berufe der Elektrobranche haben nach wie vor ein schlechtes Image. Eltern haben Bedenken wegen der körperlichen Belastung, den Zukunftsaussichten und – zumindest bei Mädchen – vor möglichen Problemen in dieser Männerdomäne.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich all diese jungen Frauen auf die eine oder andere Art behaupten mussten und bei ihrer täglichen Arbeit auch noch behaupten müssen. Und doch: Keine bedauert es, diesen Beruf erlernt zu haben. Die Grundbildung wird als vielfältig, spannend und kreativ erlebt. Ganz im Gegensatz zu anderen Berufen auf dem Bau, z.B. zur Malerin. Die Workshopteilnehmerinnen sind sich in diesem Punkt einig: Der Malerberuf ist absolut nicht kreativ. «Malerinnen und Maler machen den ganzen Tag dasselbe: Schleppen, abkleben und rollen». Wie es dieser Beruf geschafft hat, so viele Frauen anzulocken, ist allen schleierhaft. Vielleicht liegt es nicht am Beruf selber, sondern daran, dass die Malerbetriebe das Potenzial der Malerinnen frühzeitig erkannt haben. Denn die Kundschaft, die zuhause auf «den Handwerker» wartet, ist meist weiblich. Und diese Kundinnen schätzen es sehr, wenn ihnen eine ausgebildete Fachfrau die Hand schüttelt und ihr dann auch in Ruhe erklärt, was warum gemacht werden muss.
Für die Betriebe der Elektrobranche und EIT.swiss bedeutet das viel Arbeit. Nicht nur das Image der Berufe der Elektrobranche muss verbessert werden. Es müssen auch attraktive Arbeitsbedingungen geschaffen werden, die den Bedürfnissen der jungen Generation entsprechen. Und Teilzeit, das zeigt sich immer deutlicher, ist nicht nur ein Bedürfnis junger Frauen. Auch junge Männer möchten heutzutage nicht mehr unbedingt 100 Prozent arbeiten. Im Gegensatz zu früheren Generationen ist die Arbeit nicht mehr das Wichtigste. Sie muss den Platz im Leben der jungen Menschen mit Hobbys, Freundinnen und Freunden und später einmal mit der Familie teilen.