Folge 2: Installation auf 3500 Meter über Meer

Der Permafrost, der wie ein Kleber Felsen und Geröll zusammenhält, schmilzt. Wie schnell und wie tief dieser Prozess voranschreitet, wird langfristig untersucht. Dazu müssen auch Elektrofachleute im Hochgebirge arbeiten.

Der Aufbau eines Messstandortes im Hochgebirge ist logistisch aufwendig und teuer. Es muss ein Loch mit einer Tiefe zwischen 20 und 100 Metern gebohrt werden. Gleichzeitig darf kein Wasser oder eine Verunreinigung in das Loch eindringen.

Die Geografin Jeannette Nötzli verschrieb sich schon als Studentin dem Thema Permafrost. Was in der Anfangszeit als wissenschaftliche Neugier vielleicht noch belächelt wurde, gewinnt immer grössere Bedeutung. Um im Hochgebirge Infrastruktur zu planen, Skigebiete auszubauen oder mit Bergbahnen Gipfel zu erschliessen, müssen die Planer neben vielen anderen Parametern auch die Festigkeit der sie umgebenden Berge beachten. Permafrost kommt in den Schweizer Alpen unsichtbar in Schutthalten und Felswänden oberhalb der Waldgrenze vor. Felsstürze oder Murgänge im Zusammenhang mit der Erwärmung von Permafrost sind immer häufiger ein Medienthema. Aber nicht immer sind sie nur auf das Abschmelzen des Permafrost zurückzuführen. «Es spielen immer auch andere Faktoren wie unter anderem die Gesteinsstruktur eine Rolle. Doch durch die Veränderungen im Permafrost können solche Ereignisse häufiger werden», erklärt Jeannette Nötzli, die als Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Schnee und Permafrost am SLF in Davos arbeitet. Darum wachse auch die Bedeutung der Grundlagenforschung zum Permafrost. Über die Schweiz verteilt, existiert ein Messnetz von 30 Standorten. Der älteste Standort besteht seit 1987 und befindet sich im Gebiet des Corvatsch auf etwa 2700 Meter über Meer. Dort misst man die Untergrundtemperaturen in verschiedenen Tiefen und beobachtet das Verhalten eines sogenannten Blockgletschers. Dieses Permafrost-Phänomen ist eine gefrorene Schutthalde, die sich unter der Schwerkraft langsam talwärts bewegt. Das durch den Blockgletscher gebohrte Bohrloch mit seiner PVC-Schutzröhre und den Messinstrumenten bewegt sich mit, in den letzten 30 Jahren um ungefähr drei Meter. Die Untergrundbewegung beschädigt je länger je mehr die Messinstrumente und vor vier Jahren wurde das Bohrloch der Universität Zürich durch ein neues ersetzt. Gerne würde Jeannette Nötzli die Anzahl der Messstandorte erweitern, doch das ist eine Kostenfrage.

Gelände in Bewegung
Im Moment geht es darum, die bestehenden Standorte zu erhalten oder dort Ersatzbohrungen zu machen, wo dies wie am Corvatsch nötig ist. Beim Projekt Permos (Swiss Permafrost Monitoring Network) arbeiten neben dem Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, bei dem Jeannette Nötzli angestellt ist, auch die Universitäten von Zürich, Fribourg, Lausanne, die ETH Zürich und die Universität der italienischen Schweiz mit. Der Aufbau eines Messstandortes im Hochgebirge ist logistisch aufwendig und teuer. Es muss ein Loch mit einer Tiefe zwischen 20 und 100 Metern gebohrt werden. Wenn es sich um eine destruktive Bohrung handelt, ist sie weniger aufwendig, dennoch darf kein Wasser oder eine Verunreinigung in das Loch eindringen, das die Messresultate verfälschen könnte. Eine teure Kernbohrung wird dann gemacht, wenn der Bohrkern ebenfalls Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung ist. Falls eine Bohrung an Standorten wie beim Stockhorn bei Zermatt oder bei der Hörnlihütte auf rund 3500 Meter Höhe durchgeführt wird, haben die Bauleute und die später einfliegenden Elektroinstallateure einen schönen Alpenflug im Helikopter vor sich. Doch was genau arbeiten die Elektroinstallateure in der dünnen Bergluft? Das zentrale Element der Permafrost-Untersuchungen ist die Temperaturmessung. In einem Bohrloch befindet sich eine ganze Kette entsprechender Thermistoren, damit die Wissenschaftler Aussagen über die Temperaturentwicklung in verschiedenen Tiefen treffen können. Bevor die Thermistoren überhaupt in den Einsatz kommen, werden sie zum Beispiel von den Elektronikfachleuten am SLF in Davos auf Herz und Nieren überprüft sowie kalibriert. Sie müssen verschiedene Wetterextreme aushalten, aber auch robust sein, denn das Gelände ist oft nicht starr, sondern in Bewegung. Das gleiche gilt für die Aufzeichnungsgeräte und die Datenübertragung mit mobilem Funk. Dennoch kann es wie beim Corvatsch passieren, dass eine ganze Kette mit Thermistoren eingeklemmt und von den schweren Erdmassen buchstäblich zerdrückt wird. Die Installateure an einem Messstandort sind entweder Mitarbeiter des SLF oder externer Firmen mit langjähriger Erfahrung in der Messtechnik im Hochgebirge. Denn für keinen der Mitarbeitenden handelt es sich auf einer Baustelle in einem Felsen auf 3500 Meter über Meer um Routinearbeit. «An oberster Stelle steht die Sicherheit. Schlechtes Wetter, Gewitter oder Lawinengefahr hält uns von unserer Arbeit ab», erklärt Jeannette Nötzli.

Mit Wissenschaftlern am Arbeitstisch
Wie erwähnt dienen die Permos-Daten als Grundlage für lokale und präzisere Datenerhebungen. Die Temperatur des Permafrostes beispielsweise in etwa 20 Meter Tiefe im Blockgletscher Corvatsch- Murtèl rund 2700 Meter über Meer ist in den letzten 30 Jahren um ein halbes Grad von etwa –1,7 Grad Celsius auf –1,2 Grad Celsius gestiegen. Die anderen Standorte zeigen Änderungen in einer ähnlichen Grössenordnung und ein Anstieg ist in allen Tiefenstufen feststellbar. Auch die sogenannte Auftauschicht – so nennt man die obersten Meter des Untergrundes – wächst. Das wurde bei den Permos-Daten deutlich festgestellt: Plustemperaturen sind während der Sommermonate auch auf einer Höhe zwischen 2700 bis 3000 Metern bis in eine Tiefe von mehreren Metern feststellbar. Die Erwärmung und das Auftauen jenes Bindemittels, das Felsen, Gestein und Geröll zusammenhält, lässt die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen wie Murgängen und Abbrüchen aller Art ansteigen. Auch wenn meist keine Menschen, Siedlungen oder Infrastrukturen betroffen sind, muss doch ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung gelegt werden. Deshalb werden wohl längerfristig die Permafrost-Beobachtungen zunehmen und damit auch die Arbeitsmöglichkeiten für Elektroinstallateure unter extremen Bedingungen – wenn auch nur temporär. Dazu gehören auch neue Messtechnologien, die Wissenschaftler und Elektroinstallateure oft gemeinsam entwickeln. Jeannette Nötzli: «Bevor wir uns für die Langzeitbeobachtung auf sie abstützen, müssen sie jeweils eine gewisse Zeit parallel zur alten Technologie installiert werden, damit wir die Messungen vergleichen können, bevor wir uns für die Weiterführung der Messreihe auf die neue Technologie verlassen.»