Folge 2: Auf die Zähne beissen lohnt sich!

Franziska Rüedi absolvierte nach ihrer Lehre als Elektroinstallateurin die klassische Berufskarriere in der Elektrobranche. Nach der Weiterbildung zur Elektrosicherheitsberaterin folgten die Elektroprojektleiterin und die Dipl. Elektroinstallateurin. Heute arbeitet sie als Berufsbildnerin im Elektro-Bildungs-Zentrum EBZ in Effretikon.

Franziska, weshalb hast du dich gerade für diesen Beruf entschieden?
Mich reizte an diesem Beruf vor allem die Abwechslung: Man arbeitet nicht immer am gleichen Ort und sieht in viele andere Tätigkeiten hinein. Elektrikerinnen und Elektriker gehören zudem zu den wenigen Berufsleuten, die beim Bau eines Gebäudes von Anfang bis Ende mit dabei sind. Das gefiel mir. Zudem haben mich in der Schule die mathematischen Fächer immer mehr interessiert als die Sprachen. Eine Lehre ohne Fremdsprachen fand ich deshalb sehr reizvoll.

Franziska Rüedi

Wie wurdest du Berufsbildnerin im EBZ?
Ich stand kurz vor meiner Meisterprüfung und überlegte mir, wie es danach weitergehen soll. Wissen weiterzugeben, hat mich schon immer sehr gereizt. Die Stelle im EBZ war in der «elektrorevue» ausgeschrieben. Mein Vater hat sie mir gezeigt, weil er wusste, dass ich mich mit diesem Gedanken beschäftigte. Er hat mich auch ermutigt, mich zu bewerben. Ich selber dachte, dass ich zu jung sei. Zudem ging ich davon aus, dass sie keine Frauen einstellen. Mein Dossier hat aber wohl derart überzeugt, dass weder das Alter noch das Geschlecht eine Rolle spielten.

Welches sind deine besonderen Herausforderungen im Alltag?
Den Lernenden gerecht werden, sie so zu nehmen, wie sie sind, und sie dort abzuholen, wo sie gerade stehen – das erachte ich als besonders herausfordernd. Hinzu kommt, dass der zu vermittelnde Stoff sehr umfangreich ist. Für die Lernenden ist es nicht immer einfach, diesen in der kurzen Zeit wirklich zu verarbeiten.

Wie wirst du als weibliche Lehrperson von deinen Schülerinnen und Schülern akzeptiert?
Die Lernenden müssen sich manchmal zuerst daran gewöhnen, dass eine Frau als ÜK-Berufsbildnerin vor ihnen steht. Das erstaunt auch nicht wirklich, da der Beruf nach wie vor eine Männerdomäne ist. Aber um Akzeptanz muss ich nicht kämpfen. Schliesslich bringe ich den jungen Leuten ja auch etwas bei.

Und wie sieht das bei Berufsbildnern aus?
Am Anfang waren sie schon etwas erstaunt darüber, dass eine Frau ÜK gibt. Mittlerweile haben sich die meisten aber daran gewöhnt, dass Frauen diesen Job genauso gut machen können wie Männer. Ich denke aber, dass mein beruflicher Hintergrund hier ein Vorteil war. Eigentlich würde die Weiterbildung zur Sicherheitsberaterin für die Tätigkeit als ÜK-Berufsbildnerin reichen. Aufgrund der Meisterprüfung wird mir aber schon noch etwas mehr Respekt entgegengebracht.

Müssen Frauen also mehr können, damit sie als «ebenbürtig» betrachtet werden?
So pauschal würde ich das nicht sagen. Es kann aber manchmal sicherlich helfen. Die Meisterprüfung ist auch ein Beweis dafür, dass ich etwas von meinem Handwerk verstehe.

Kommen wir zurück zu den Lernenden. Wie sieht denn heute eine «normale ÜK-Klasse» aus?
Die normale Klasse besteht mehrheitlich aus männlichen Ausländern. Frauen und Schweizer sind in der Minderheit. Deshalb ist es auch so herausfordernd, die jungen Leute dort abzuholen, wo sie gerade stehen. Sie alle bringen sehr unterschiedliche Geschichten mit.

Wie reagieren die Jungs denn auf die wenigen jungen Frauen in der Klasse?
Das kommt ganz auf das Lehrjahr, die Klassendynamik und die jungen Frauen selbst an. Die Jungs wollen normalerweise auf keinen Fall schlechter sein als die Mädels. Sie werden deshalb oft etwas ehrgeiziger. In der Regel werden die Klassen durch die Anwesenheit einer jungen Frau auch etwas ruhiger. Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel. Ich habe schon erlebt, dass die Klasse bei Abwesenheit einer Mitschülerin sehr ruhig war. War sie aber anwesend, dann war die Klasse unruhig. Man kann Klassen generell nicht pauschalisieren. Es braucht oft nur eine oder zwei Personen in der Klasse und die Dynamik ist eine ganz andere – egal, ob es sich dabei um Jungs oder um junge Frauen handelt.

Dann verändert sich auch das Klima nicht, wenn junge Frauen in der Klasse sind?
Doch, schon ein wenig. Oftmals sind Klassen mit jungen Frauen etwas ruhiger und disziplinierter. Wenn die junge Frau aber eine Dramaqueen ist und sich immer als Opfer darstellt, dann wird es sehr anstrengend. Die ganze Klasse wird dann unruhig. Zum Glück sind derartige Fälle sehr selten.

Wie sieht es mit der Akzeptanz der jungen Frauen durch die Klasse aus?
Da habe ich schon beides erlebt. Entweder wird sie wie ein «Kumpel» aufgenommen und akzeptiert oder sie wird ausgegrenzt. Etwas dazwischen gibt es nicht.

Und was würdest du jungen Frauen mit auf den Weg geben?
Frau muss halt manchmal auf die Zähne beissen! Das lohnt sich aber für diesen Job – er ist vielfältig, abwechslungsreich und bereichernd.