Parlament verfällt in Hyperaktivismus‏‎

Bei der Beratung der Gletscherinitiative, die ein Verbot von fossilen Treib- und Brennstoffen verlangt, entschied sich das Parlament für einen Gegenvorschlag mit griffigen Massnahmen.

Der Nationalrat hat in seiner ersten Beratung verpflichtende Ziele festgelegt. Zudem werden mit finanziellen Mittel neuartige Technologien und der Ersatz von Heizungsanlagen gefördert. In diesen Gegenvorschlag baute der Ständerat noch einen dringlichen Bundesbeschluss ein. Unter dem Arbeitstitel «Solaroffensive» will er mit diesem noch die Strommangellage entschärfen, obwohl er parallel dazu ein komplett neues Gesetz in Bearbeitung hat. Auf die Schnelle wollte der Ständerat Verfassungsgrundsätze über Bord werfen und für alpine Solar-Grossanlagen sämtliche Einschränkungen und Einsprachemöglichkeiten ausschliessen. Es wird unserem Politsystem nicht gerecht, wenn ohne fundierte Diskussionen und ohne ordentliche Verfahren Projekte durchgeboxt werden. Das zeigt sich auch in der Hektik, wie das Parlament in der Herbstsession mit Teufel komm raus die Vorlage in die Schlussabstimmung rettete, aber damit null Wirkung auf die kurzfristige Versorgungssicherheit entfaltet.  

Wenigstens hat der Nationalrat die gröbsten Fehler korrigiert. Nicht perfekt und noch immer mit Beigeschmack. Die Solarpflicht auf Neubauten soll erst ab einer Bruttogrundrissfläche von über 300m2 gelten. Somit sind Wohnbauten von dieser Pflicht kaum betroffen. Es bleibt unklar, welche Teile an Gebäuden denn solaraktiv belegt werden sollen. Erfreulicherweise kennen bereits 18 Kantone eine Solarpflicht und haben längst die notwendigen Ausführungsbestimmungen erlassen. Die grösste Wirkung erzielt eine Vorgabe für Bundesbauten, die bis 2030 alle geeigneten Flächen solaraktiv ausrüsten müssen.

In der Differenzbereinigung wurde auch das Projektverfahren zum Bau von alpinen Solar-Grossanlagen geklärt. So besteht entgegen der Idee des Ständerates weiterhin eine UVP-Pflicht. Eigentlich geht es nur um die beiden Walliser Projekte Gondosolar und Grengiols-Solar. Dabei liegt einzig dem Projekt Gondosolar eine fundierte Planung zu Grunde.

Ebenfalls über die Hintertüre wurde eine Übergangsbestimmung für zusätzliche Kapazitäten bei Speicherwasserkraftwerken eingebracht. Es geht konkret um das Projekt Grimselsee, wo die Staumauer um die geplanten 23m erhöht werden soll. Das Bundesparlament liess sich hinreissen, sämtliche Staatsgewalten auszubremsen und dadurch dem schon seit Jahren blockierten Ausbauschritt Schub zu verleihen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht sehr problematisch, aus politischer Sicht nachvollziehbar. Doch auch hier zeigt sich, welche Auswüchse der Hyperaktivismus des Bundesparlamentes hat. Es blendet aus, dass neben der Ersatzstaumauer Spitallamm, an der aktuell gebaut wird, auch die Staumauer Seeuferegg erhöht werden muss. Dies wird nicht vor 2026 möglich sein, da neben einer Baubewilligung auch noch ein Konzessionsverfahren nötig ist. Wer also meint, dass es einfach mit etwas mehr Beton getan ist, muss seine Erwartung drastisch zurückschrauben.

Trotz diesen Stolpersteinen wurde die Vorlage als dringlich durchgewunken. Nicht alle Massnahmen erfüllen den Anspruch einer liberalen Politik. Ein Kompromiss ist eben ein Kompromiss.

Matthias Samuel Jauslin
Matthias Samuel Jauslin

ist seit 2015 Mitglied des Nationalrats, Mitglied der Kommission Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK-N) sowie Mitglied der Geschäftsprüfungskommission. Er ist Geschäftsführer und Hauptaktionär eines Unternehmens, das im Bereich Elektroanlagen, Telematik und Automation tätig ist.