Liberalisierung im Messwesen ist der falsche Ansatz

Mit der Revision des StromVG will der Bundesrat das Messwesen liberalisieren und es Dritten erlauben, Messgeräte zu installieren, die Aufgaben der Verteilnetzbetreiber übernehmen.

Darin sind sich wohl die meisten einig: Die Rahmenbedingungen für den Zubau der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien müssen verbessert und damit die Stromversorgungssicherheit in der Schweiz erhöht werden. Der Bundesrat hat sich entschieden, die Revisionen des Energiegesetzes und des Stromversorgungsgesetzes zu einem Mantelerlass unter dem Namen «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» zusammenzuführen. Die entsprechende Botschaft liegt vor und wird aktuell in der Kommission UREK-S vorberaten. Zündstoff ist reichlich gegeben und man darf gespannt sein auf das Beratungsresultat. Doch schon im Vorfeld stechen Anpassungen ins Auge, die sich nicht am Nutzen, sondern an der Theorie orientieren. So will der Bundesrat zum Beispiel das Messwesen liberalisieren.

Eine solche Liberalisierung bringt nicht die gewünschten Effekte. Dies legen unter anderem Erfahrungen im Ausland nahe. Auch eine im Jahre 2020 veröffentlichte Studie, welche im Auftrag des Bundesamtes für Energie gemacht wurde, belegt dies deutlich. Darin wird aufgezeigt, dass der Nutzen ungewiss ist und in Ländern, wo solche Systeme im Einsatz sind, keine positiven Effekte auf die Innovation nachgewiesen werden. Ebenfalls in Frage gestellt wird der erhoffte wirtschaftliche Nutzen. Nur für eine Handvoll Kunden werden sich Kosteneinsparungen ergeben. Hingegen ist eine Zunahme der Systemkosten zu erwarten, insbesondere infolge fehlender Abschreibung in bereits getätigten Investitionen in aktuelle Messwesen. Um drohenden negativen Effekten zu entgegnen, muss bei einer Liberalisierung zudem eine starke Regulierung durchgesetzt werden.

«Zündstoff ist reichlich gegeben und man darf gespannt sein auf das Beratungsresultat.»

Matthias Samuel Jauslin

Es wäre mit zusätzlichen Systemkosten von bis zu 50 Mio. Franken zu rechnen. Preissenkungen für die Messdienstleistung wären nur für wenige Grosskunden zu erwarten, während die Mehrkosten des Systems von den übrigen Endkunden getragen werden müssten. Demgegenüber gäbe es wirkungsvollere Massnahmen. Der Datenzugang für Dritte muss erleichtert werden. Der derzeit laufende Smart Meter Rollout wird landesweit die Grundlage für einen verbesserten und bedürfnisgerechten Datenzugang der Kunden schaffen. Doch dies würde in Frage gestellt. Eine Liberalisierung ist somit nicht nötig, sondern für die Erreichung unserer energiepolitischen Ziele sogar kontraproduktiv.

Angesichts dieser Erkenntnisse komme ich zur Schlussfolgerung, dass die Entlassung des Messwesens in den freien Markt keine gute Idee ist. Messungen dienen in Zukunft nicht nur der Abrechnung, sondern auch dem sicheren Netzbetrieb und der vorausschauenden Netzplanung. Eine Auftrennung der Zuständigkeiten würde neue Schnittstellen und Prozessbrüche bringen, die aufwändig koordiniert werden müssten. Zudem würden Entwicklungen, die für den Umbau des Energiesystems bedeutend sind, statt gefördert sogar behindert: Synergien zwischen intelligenter Messung und Netzführung (Smart Grid) sowie Synergien mit Gas- und Wärmenetzen (Sektorkopplung) würden ausgehebelt.

Es ist nur zu hoffen, dass diese Problematik auch im Bundesparlament Gehör findet. Ansonsten werden die Probleme nicht gelöst, sondern weitere geschaffen. Leider eine Disziplin, die Bundesbern gut beherrscht.


Matthias Samuel Jauslin ist seit 2015 Mitglied des Nationalrats, Mitglied der Kommission Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK-N) sowie Mitglied der Geschäftsprüfungskommission. Er ist Geschäftsführer und Hauptaktionär eines Unternehmens, das im Bereich Elektroanlagen, Telematik und Automation tätig ist.