Folge 3: «Tut, was euch Spass macht!»
Entgegen allen Vorurteilen: Es gibt sie, die starken Frauen, die unbeirrt ihren Weg in eine noch immer eher männliche Berufsgattung wählen und sich sogar als Unternehmerinnen positionieren. Eine davon ist Sibylle Kaiser. Sie führt das Unternehmen SK ElektroEngineering AG in Zug.
Sibylle Kaiser.
Was hat Sie zu Ihrem Beruf geführt?
Wie war die Suche nach einer Lehrstelle? Eigentlich wollte ich Elektroinstallateurin werden, weil mich das handwerkliche Arbeiten sowie die Technik sehr interessiert hat. Leider habe ich keine Lehrstelle gefunden, die Zeit war damals im Kanton Zug wohl noch nicht reif dafür. Viele Unternehmer konnten sich nicht vorstellen, ein Mädchen auszubilden.
Als Alternative hat sich mir die Möglichkeit geboten, eine Lehrstelle als Elektroplanerin anzutreten. Diese Chance habe ich dankbar genutzt. Wenn ich zurückdenke, bereue ich manchmal ein wenig, dass ich nicht energischer für eine Lehrstelle als Installateurin gekämpft habe.
Wurden Sie in Ihrem Stellenwunsch unterstützt und bestärkt?
Unterstützung habe ich vor allem von meinen Eltern erhalten, sie haben sich zu meinem Berufswunsch immer positiv geäussert. Dies hat sich durch meine gesamte Laufbahn gezogen, auch bei den Weiterbildungen und der Geschäftsgründung standen sie immer hinter mir. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar!
Meine Lehrer sowie der Berufsberater waren da anderer Meinung; dieser Beruf sei überhaupt nichts für mich. Sie haben sich wohl alle getäuscht. Ich bin froh, diesen Weg gewählt zu haben, und möchte beruflich nichts anderes tun.
Sind Frauen in diesem Beruf wirklich so aussergewöhnlich, wie alle vermuten?
Sie sind rar, ja. Aber was ist denn daran so ungewöhnlich? Das Ganze liegt doch im Auge des Betrachters und solange unsere Gesellschaft Berufe noch immer nach Geschlechtern einteilt, wird sich auch nicht so schnell etwas ändern. Ich finde es schade, aber es braucht wohl noch Zeit.
Wie verlief Ihr Weg nach der Ausbildung?
Froh, endlich die Lehre hinter mir zu haben, trat ich eine Stelle als Elektroplanerin an. Dabei wurde mir einiges klar: Es fehlte der Bezug zur Praxis und ohne Weiterbildung glaubte mir keiner, dass ich tatsächlich kann, was ich tue. So entschied ich mich, den Projektleiter Telematik FA zu absolvieren und parallel dazu als Installateurin zu arbeiten. Es war eine super Zeit, in der ich viel gelernt habe, trotzdem zog es mich wieder in die Welt der Planung. Nach ein paar Jahren meldete sich mein Wissensdurst erneut, weshalb ich mich entschied, den Weg zur Meisterprüfung in Angriff zu nehmen. Da ich inzwischen Ehefrau und Mutter war, gestaltete sich die Organisation von Familie, Beruf und Schule als nicht ganz einfach. Mein Mann stand immer hinter mir und unterstützte mich voll und ganz. So war es mir möglich, mein Ziel zu erreichen, und dafür bin ich ihm sehr dankbar.
Was hat Sie dazu gebracht, Ihr eigenes Unternehmen zu gründen?
Vor gut eineinhalb Jahren entschied ich, meinen damaligen Arbeitgeber zu verlassen und eine neue Stelle zu suchen. Ich merkte, dass ich eine Veränderung brauchte. Dabei kam vor allem aus meinem nahen Umfeld die Idee, selbst ein Unternehmen zu gründen. Irgendwie liess mich der Gedanke daran nicht mehr los und ich dachte «jetzt oder nie».
Was gehört zu Ihren Aufgaben als Unternehmerin?
Wo fange ich da bloss an? «Mädchen für alles» trifft es wohl am besten. In einem jungen Unternehmen muss man als Chef vielseitig sein, egal, ob es um die Büroreinigung oder eine Projektierung geht. Lediglich die Buchhaltung überlasse ich vertrauensvoll meiner Schwester.
Was gehört zu Ihren Aufgaben auf der Baustelle?
Auf der Baustelle bin ich vorwiegend als Projekt- und Fachbauleiterin unterwegs.
Gab es jemals Schwierigkeiten im Umgang mit Kunden oder Arbeitskollegen?
Leider ja, es gab tatsächlich zwei Vorfälle, bei denen die Kunden explizit lieber von einem Mann beraten werden wollten. Einmal wurde ich zudem von einem Monteur nicht als Chefin akzeptiert, er lasse sich von einer Frau bestimmt nichts sagen. Heute spüre ich glücklicherweise nur noch selten Ablehnung und freue mich sehr darüber.
Sie engagieren sich in der Branche. Inwiefern?
Bis vor Kurzem habe ich an der IBZ in Aarau Telematik und Netzwerktechnik auf Stufe «Meisterprüfung» unterrichtet. Es hat mir immer viel Spass gemacht, Wissen zu vermitteln, und ich habe viele interessante Menschen kennengelernt. Mit der Gründung meines Unternehmens vor einem Jahr fehlt mir aber leider die Zeit dafür, weshalb ich für den Moment damit aufgehört habe.
Mein Ziel und grosser Wunsch ist, in meinem Unternehmen Lernende auszubilden. Ich hoffe, dass ich bald die erste Lehrstelle anbieten kann. Zudem könnte ich mir vorstellen, Expertin bei Lehrabschluss- oder Fachprüfungen zu werden.
Was raten Sie anderen Frauen, die einen handwerklichen Beruf ausüben möchten und zudem den Weg in die Selbstständigkeit in dieser Männerdomäne wagen?
Es spielt absolut keine Rolle, ob in einem Beruf mehr Männer oder Frauen tätig sind. Hauptsache ist, dass man sich einen Beruf aussucht, der einen interessiert und den man gerne ausübt. Wir lassen uns von unserem Umfeld viel zu stark beeinflussen und hören zu wenig auf uns selbst. Es gibt viel zu viele Vorurteile, die einem im Weg stehen. Man sollte jeden dabei unterstützen, persönliche Stärken und Schwächen kennenzulernen. So kann man selbst entscheiden, welchen Weg man einschlagen möchte. Hört auf euch, tut, was euch Spass macht, und steht zu euren Entscheidungen!