Wirklich ein guter Entscheid?

Auf Wunsch der Schweiz wurde ein Rahmenabkommen erarbeitet. Das Resultat lag fertig auf dem Tisch. Der Bundesrat hat kurz vor der Ziellinie den Stecker gezogen, nicht ohne Auswirkungen!

Da reibe ich mir die Augen. Kaum gibt der Bundesrat bekannt, dass er die Verhandlungen über das Rahmenabkommen abbricht, ruft die ultralinke Parteileitung der Sozialdemokraten zum EU-Beitritt auf. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen; Gewerkschaften monierten zusammen mit der SP beim Rahmenabkommen den fehlenden Lohnschutz der Arbeitnehmenden aufgrund der verkürzten Meldepflicht auf 4 Arbeitstage. Bei dieser Meldepflicht geht es darum, dass Dienstleister aus der EU, die in der Schweiz Arbeiten ausführen möchten, diese vorgängig anmelden müssen. Heute sind solche Arbeiten 8 Wochentage vorher zu melden. Wegen dieser Differenz halfen die Gewerkschaften mit, das Rahmenabkommen zu bodigen. Nun fordern die gleichen Kreise eine im Volk chancenlose EU-Mitgliedschaft und blenden aus, dass es bei einer Vollmitgliedschaft gar keine Meldepflicht mehr gäbe. Doch auch Personen aus dem Bundesrat scheinen sich immer tiefer im EU-Netz zu verheddern. Über Jahre verhandelte man mit Brüssel über das Rahmenabkommen.

Notabene auf Wunsch der Schweiz. Chefunterhändler Balzaretti erreichte unter Bundesrat Cassis ein durchaus akzeptables Verhandlungsresultat und legte dieses unterschriftsreif auf den Tisch. Danach hagelte es Kritik von links und rechts. Unsere Regierung schaffte es nicht, das finale Resultat positiv zu würdigen. Man gibt vor der Ziellinie auf und der bürgerlich dominierte Bundesrat wirft das Handtuch. Viel schlimmer noch. Der Bundesrat will trotz Abbruch der Verhandlungen unsere Gesetze nach Differenzen zum EU-Recht durchforsten, um solche auszumerzen. Im Klartext heisst das: ohne Zwang EU-Recht übernehmen und sich so bei der EU anbiedern.

Warum beabsichtigt der Bundesrat weitere Anpassungen an das EU-Recht, obwohl es die Verwaltung nicht schafft, die Eigenheiten unseres Landes flankierend in nationale Lösungen einzuarbeiten? Scheinbar will man jeden möglichen Konflikt meiden. Doch genau diese nationalen Interessenskonflikte, die wohl auch innerhalb der EU-Mitgliedstaaten entstehen, anerkennt Brüssel.

So gibt es Bestimmungen in den bilateralen Verträgen, die jeder Vertragspartei die Möglichkeit geben, Rechtsvorschriften zu ändern, sofern der Grundsatz der Nichtdiskriminierung eingehalten wird. Das ist auch richtig so. Es liegt am Bundesrat, nicht einfach als Musterschüler der EU hinterherzutappen, um noch EU-konformer zu werden, sondern die von Brüssel vorgesehenen Freiräume fair, aber bestimmt zu nutzen.

Aus Sicht unserer Branche muss nun das fehlende Stromabkommen mit der EU auf die Traktandenliste. Leider ist der Bundesrat bis heute der Ansicht, dass ein solches Abkommen auch nach dem Scheitern des Rahmenabkommens keine Dringlichkeit hat. Er schiebt diese Pendenz auf die lange Bank. Das hat fatale Auswirkungen auf die Stabilität unseres Stromnetzes und gefährdet die Versorgungssicherheit der Schweiz. Nur in enger Zusammenarbeit mit Partnern aus ganz Europa kann nämlich die nationale Netzgesellschaft Swissgrid das Übertragungsnetz stabil und sicher betreiben. Oberstes Ziel muss dabei die Versorgungssicherheit der Schweiz sein. Vor allem in den Wintermonaten sind wir davon noch sehr weit entfernt. Das fehlende Mitspracherecht dazu verdanken wir dem Verhandlungsabbruch um das Rahmenabkommen.

Matthias Samuel Jauslin ist seit 2015 Mitglied des Nationalrats, Mitglied der Kommission Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK-N) sowie Mitglied der Geschäftsprüfungskommission. Er ist Geschäftsführer und Hauptaktionär eines Unternehmens, das im Bereich Elektroanlagen, Telematik und Automation tätig ist.